Hermann Bahr ist 1909 nach Dalmatien gereist und hat seine Reiseerfahrungen in dem Buch Dalmatinische Reise aufgezeichnet. Es ist nicht nur ein lesenswerter Reisebericht, sondern daruber hinausgehend auch ein hochgradig interessantes Zeitdokument, in dem sich Bahr anhand der Verwaltung des monarchistischen Vielvolkerstaats in der Provinz Dalmatien mit der konfliktgeladenen Balkanpolitik auseinandersetzt. Die vorliegende Arbeit liest es als eine geopolitische Topografie Hermann Bahrs, die von seinen ?patriotischen Phantasien“ gepragt ist, wobei er Dalmatien zum Vektor der Neuorientierung Osterreichs als ?ein slawisches Westreich“ wahrnehmen will. Bahr sieht sich mit dem osterreichischen Problem konfrontiert, dass die imperiale Ordnung des alten Reichs, der zufolge ?Osterreicher deutscher oder slawischer oder italienischer Nation zu sein“(9) moglich sein soll, nicht mehr als tragfahig erwiesen ist, was unter anderem auch die Krise der Ich-identitat jedes Osterreichers zur Folge hat. Bahr will einen Ausweg ideell in einer Vision finden, nach der jene imperiale Ordnung des Vielvolkerstaates bei den Sudslawen auf dem Balkan verwirklicht wird und bsp. sich die Dalmatiner mit Hilfe des deutschen Geistes zu den ?wahren“ Osterreichern kultivieren. Er schreibt sich die osterreichische Mission der Aneignung Dalmatiens auf die Fahnen, wobei er sich dadurch legitimiert, dass sich die Dalmatiner nichts anderes als ?gut osterreichisch sein zu konnen“ wunschten. Das lauft de facto auf den Balkanimperialismus hinaus, der von Chlumecky vertreten wird und von dem Bahr sich fernhalten will. So oszilliert Bahrs Dalmatinische Reise zwischen dem manifesten Versuch der imperialen Reorientierung des Vielvolkerstaates und dem unbewusst imperialistischen Wunsch nach seiner Expansion. Dass dies hochstwahrscheinlich die innere Topografie der osterreichischen Intellektuellen in der letzten Phase der osterreichischen Monarchie ist, bleibt noch zu untersuchen.